Unhaltbare Zustände in Loitz

Pressemitteilung des Bündnisses „Greifswald für alle“ –

Am 31. Januar kamen in Greifswald etwa 20 Menschen aus dem Kreis Vorpommern-Greifswald zusammen, die sich an verschiedenen Orten und in unterschiedlichen beruflichen oder ehrenamtlichen Zusammenhängen für die Belange der Gesellschaft engagieren. Man kann uns getrost als besorgte Bürger*innen bezeichnen: Uns eint das Entsetzen über die Situation in Loitz.

Angesichts der bedrohlichen Situation in vielen Ländern fliehen Menschen vor Krieg, Gewalt und Unterdrückung. Das Grundgesetz sichert ihnen im Artikel 16a Schutz zu: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Ob das Asyl den Geflüchteten nach eingehender Prüfung auch gewährt wird, ist im Einzelfall zu entscheiden; aber das Recht, Asyl zu beantragen, hat erst einmal jede*r. Je nach Weltlage kann sich die Zahl derjenigen, die um Asyl ersuchen, verändern. Das mag einzelne Ortschaften auch vor Herausforderungen stellen; aber an der sogar im Gesetz verankerten Notwendigkeit, Schutzsuchenden zu helfen, ändert das nichts.

Auch in der Kleinstadt Loitz leben seit kurzem geflüchtete Menschen. Raum ist vorhanden, es gibt ein zumindest anfänglich geeignetes Gebäude, in dem sie zunächst wohnen können.

In der Kleinstadt Loitz leben viele andere Menschen schon deutlich länger. Wir möchten vermuten, dass die meisten mit der Anwesenheit von Menschen, die ihr Land (samt Kultur, Gewohnheiten, Sprache) keineswegs freiwillig verlassen haben, gut und solidarisch umgehen können.

Wir sind jedoch erschüttert darüber, wie eine laute und aggressive Minderheit in der Frage des Umgangs mit geflüchteten Menschen den Ton angibt – und an ganz falscher Stelle sogar gehört wird.

In Loitz hat ein Mädchen behauptet, sie habe einen Übergriff von Seiten eines geflüchteten Mannes erfahren. Diese Behauptung war schlicht erfunden. Wir fragen uns, was und wie in der Umgebung jenes jungen Kindes wohl gesprochen wird, sodass sie auf den Gedanken kommen konnte, eine solche Lügengeschichte könnte für ihre Familie interessant sein.

In Loitz überprüfte man nicht zunächst den Wahrheitsgehalt dieses Märchens, sondern einige Menschen entschlossen sich zu einem offenen Brief an die Verwaltung, der von abenteuerlichen Forderungen aufgrund der angeblich gefährdeten Sicherheit nur so strotzt, so unverhohlen wie unbegründet gegen die Geflüchteten hetzt und sogar mit Selbstjustiz droht.

In Loitz sprach die Bürgermeisterin aus, sie habe Verständnis für die Sorgen der Briefeschreiber*innen.

In Loitz brennen (Energiekrise hin oder her) seither die Straßenlaternen auch zu nachtschlafender Zeit, um die angeblich gefährdete Sicherheit zu gewährleisten.

In Loitz beging die Verwaltung den gewaltigen Fehler, auf Drängen der Briefeschreiber*innen einen Informationsabend zur Lage zu veranstalten. Und es geschah, was absehbar war: Der Saal füllte sich zu weiten Teilen mit grundlos empörten Menschen, die sich anderthalb Stunden lang rassistisch und allgemein menschenfeindlich äußerten.

In Loitz setzt man einen solchen Gesprächsversuch dennoch fort, wenn man zur Verwaltung gehört. Man erteilt tatsächlich nur genau einem Menschen einen Platzverweis, obwohl es zahlreiche weitere Anlässe gab. Man lässt sich von Hetzern niederbrüllen und höhnisch auslachen. Man geht nicht auf die Hinweise zu Nazischmierereien im Ort ein, die von einem mutigen Menschen in jener Versammlung ebenfalls benannt wurden. Wie es den Geflüchteten geht, interessiert niemanden. Kurz: Man bietet ortsansässigen wie zugereisten Rechten und Lügnern die perfekte Bühne und gibt ihnen gar das Gefühl, ihre Menschenfeindlichkeit habe Berechtigung.

In Loitz sollte man die Menschenfeindlichkeit einiger Bewohner durchaus ernst nehmen. Man kann sich wirklich ernsthaft Sorgen machen – Sorgen um die Sicherheit und das Wohlergehen der Geflüchteten.

In Loitz wohnen derzeit noch nicht einmal 40 Menschen, die aus ihrem Land fliehen und alles zurücklassen mussten. Die rassistischen Vorurteile und die Lügen treffen sie hart. Und auch sonst sind ihre Lebensumstände nicht ausschließlich glücklich. Diese Auskünfte haben wir von den Geflüchteten bekommen:

Alle Geflüchteten tragen ein Armband mit einer Nummer, mit Namen werden sie vom Personal in der Unterkunft nicht angesprochen. Die Menschen, die dort arbeiten, kennen die Sprache der Geflüchteten nicht; nur selten ist jemand anwesend, der dolmetschen kann. Die dringend benötigte Hilfe, etwa beim Ausfüllen von Formularen, steht nicht zur Verfügung. Das Essen ist regelmäßig nicht ausreichend. Als Strafmaßnahme gegen die Geflüchteten haben die dort Arbeitenden schon wiederholt bei verschiedenen Anlässen das WLAN ausgeschaltet; zu solchen Zeiten können die geflüchteten Menschen das Internet nicht nutzen, sprich: Keine Nachrichten in ihrer Sprache  wahrnehmen, nicht mit ihrer Familie in Kontakt bleiben, nicht den Google-Übersetzer nutzen. 

(Die Unterkunft wird übrigens vom DRK betrieben und von einem Menschen geleitet, der in ähnlicher Funktion an anderem Ort nicht ausschließlich durch Konstruktivität aufgefallen ist.)

Waschechte Egoist*innen, hemmungslose Vorurteilszüchter*innen und rechte Menschenverächter*innen gibt es in Loitz offenbar mehr als genug. Aber auch in Loitz sind sie sicher nicht in der Mehrheit.

Wir fordern die Verwaltung auf, verlässlich für die Sicherheit und Integration wirklich aller Menschen in unserem Land zu sorgen, unabhängig davon, wie lange sie schon hier leben. Und wir bitten jeden einzelnen Menschen um jene Courage, die manchmal nötig ist, um sich im Großen wie im Kleinen klar von den rechten Positionen auch im eigenen Umfeld abzugrenzen.

Auch in der Kleinstadt Loitz.

Anne Wolf

Ein Kommentar zu “Unhaltbare Zustände in Loitz

  1. Ich wünsche allen deutschen Menschen mehr Mut und Kraft gegen die Rechten , wir wünschen uns Frieden zwischen allen Menschen,das Leben ist einfach zu kurz!

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