Die Unterzeichnenden wenden sich gegen die Proteste anlässlich der Sitzungen der Ortsteilvertretung Ostseeviertel und des Hauptausschusses der Bürgerschaft Ende Februar bzw. Anfang März hier in Greifswald. Diese Proteste werden von bekannten radikalen Rechten und Verschwörungstheoretikern über Telegram-Gruppen und andere soziale Medien organisiert und von ihnen besucht. Sie sind von rassistischen und fremdenfeindlichen Vorurteilen geprägt, die Menschen auf Grund ihrer Herkunft kriminalisieren. Sowohl von diesen radikalen Rechten und als auch von diesen Vorurteilen distanzieren wir uns.
Ähnliche Proteste gab es 2016 gegen die Eröffnung der Gemeinschaftsunterkunft in der Brandteichstraße. Nicht ansatzweise haben sich damals die Befürchtungen einiger Anwohner*innen der Stadtrandsiedlung und von anderen Interessierten bewahrheitet. Container-Dörfer sind keine Lösung im Sinne einer menschenwürdigen Unterbringung Geflüchteter; eine dezentrale Lösung ist immer vorzuziehen. Im Falle einer kurzfristigen Lösung sind Container-Dörfer dennoch besser als Turnhallen.
Als „Sicherer Hafen“ sollte in Greifswald eine solche kurzfristige Lösung so schnell wie möglich durch ein Konzept der dezentralen Unterbringung abgelöst werden. Greifswald sollte sich nicht einreihen in die Vielzahl von Städten, die Synonym von fehlender Menschlichkeit geworden sind (z.B. Hoyerswerda, Mölln und Rostock-Lichtenhagen). Die Zustände bei den unangemeldeten Versammlungen, die letztlich zur Bedrohung des OB und anderer Mandatsträger*innen führten, sollten in einer weltoffenen Stadt wie Greifswald nicht vorkommen und dürfen sich nicht wiederholen.
Wir rufen deshalb zu einer Mahnwache auf! am 27.03.2023um 17:30 Uhr anlässlich der Bürgerschaftssitzung vor dem Eingang zur Mehrzweckhalle Schönwalde Center, Ernst-Thälmann-Ring 11-13 (Freifläche zum Penny)
Für Solidarität, Mitmenschlichkeit, Weltoffenheit!
Greifswald für alle
Bund Deutscher PfadfinderInnen Landesverband MV e.V.
Bündnis #unteilbar
DGB Vorpommern
Offene Jugendarbeit der Evangelischen Altstadtgemeinden
Evangelische Kirchengemeinde St. Jacobi
Evangelische Kirchengemeinde Dom St. Nikolai
Pommerscher Evangelischer Kirchenkreis
Jusos Vorpommern-Greifswald
Bündnis 90/Die Grünen Vorpommern-Greifswald
DIE LINKE. Greifswald
PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ Regionalgruppe Vorpommern-Greifswald
Alternative Liste Vorpommern-Greifswald
Fridays for Future Greifswald
verquer.
Greifswald hilft e.V.
Straze
Fairer Handel, Bildung, Projekte e.V.
House of Resources Greifswald
Flüchtlingsrat M-V e.V.
Aktionsbündnis 8. Mai Demmin
Internationale Freiwilligendienstinitiative Turbina Pomerania
PRO BLEIBERECHT in Mecklenburg-Vorpommern
Verein zur Förderung solidarischer Lebensgestaltung e.V. (SoLe)
LOBBI e.V.
Landesverband Soziokultur MV
St. Spiritus Greifswald
Mitten im Erdbebengebiet liegt die Gegend von Pazarcik İlcesi (Kahramanmaraş, Türkei). Bisher ist für die dort lebenden alevitischen kurdischen Menschen nur sehr unzureichend Hilfe angekommen. Was die Menschen jetzt am wichtigsten brauchen, sind feste Unterkünfte, denn zur Zeit leben sie in Zelten – bei oft zehn Grad unter Null.
Wir werden eine Firma in Ankara mit der Herstellung von Wohncontainern, deren Transport nach maras-Parzacik ilcesi und der Aufstellung vor Ort beauftragen. Je Container, in dem in der Not eine Familie unterkommen wird, sind 3.000,- Euro nötig. Begleitet und unterstützt wird die Aktion vom alevitischen Kulturverein in Hamburg und hier in Greifswald von Hüseyin Aydin (Restaurant „Das Sofa“), an den Sie sich auch bei Fragen zum Projekt wenden können (Tel: 0171 5450990).
Wir bitten euch/Sie um Spenden für dieses Projekt. Spendet / spenden Sie mit dem Verwendungszweck „Spende Container“ auf das Konto der Ev. Kirchengemeinde St. Jacobi Greifswald – IBAN: DE16 5206 0410 0105 4229 06. Spendenbescheinigungen werden von der Kirchengemeinde ausgestellt (bitte Anschrift angeben). Informationen zum Verlauf der Aktion sind unter http://www.jacobigemeinde.info zu erhalten – oder Sie rufen / ihr ruft mich an.
ich nehme Bezug auf ihre aufgeführte Äußerung in der OZ vom 02.03.2023 zu dem Artikel Containerdorf: Beratung heute im Rathaus.
Ich bitte Sie zukünftig auf Äußerungen: „Dem rassistischen Mob entgegentreten“ zu verzichten. Bevor ich am Donnerstag zur Arbeit fahre und Menschen ergotherapeutisch, auch in Pflegeheimen, behandle, möchte ich nicht Bemerkungen lesen, die ich auf mich bezogen für unangemessen halte. Meine Mutter wurde vertrieben, mein Vater verlor seine Mutter und Vater durch den Krieg. Wenn diese Menschen sich gegen das Containerdorf und den Hotelbezug durch Flüchtlinge bekennen, erwarte ich, dass sie von Ihnen nicht als rassistischer Mob beschimpft werden.
Freundliche Grüße
P.S. Sehr geehrte [OZ-Redakteurin],
auch als Verfasserin des Artikels tragen Sie eine gewisse Verantwortung. Eventuell finden Sie einen anderen Umgang mit Äußerungen verschiedener Meinungen, so dass gegenseitige Verletzungen erst gar nicht eskalieren können.
Hierzu unsere Antwort:
Sehr geehrte besorgte Bürgerin,
als das Bündnis Greifswald für alle sich entschloss, für den 2. März zu einer Kundgebung unter dem Motto „Asylrecht ist unantastbar. Dem rassistischen Mob entgegentreten“ aufzurufen, lag der 27. Februar bereits hinter uns.
Vielleicht waren Sie unter jenen 500 Menschen, die zum Zeitpunkt der Sitzung der Ortsteilvertretung am Rande des Ostseeviertels unangemeldet demonstriert haben; ganz sicher haben Sie Berichte dazu gelesen oder gehört (OZ, NDR, Katapult usw.). Dann wissen Sie, dass unter anderem deutlich als rechtsextrem wahrnehmbare Personen unter den Demonstrierenden waren; dass Thomas Kerl sich geäußert hat (der sein politisches Profil überhaupt erst ab 2015 entwickelt hat und seither seine antihumanistische Haltung zu jedem verfügbaren Thema unter Beweis stellt); dass Menschen diffusen Ängsten um ihre Kinder Luft machten und zum Beispiel davon sprachen, man wisse ja, „diese Menschen“ (sprich: Geflüchtete) könnten sich nicht benehmen.
Das rechtsextreme Spektrum ist gemeinhin an der Organisation solcher Veranstaltungen mindestens beteiligt und freut sich ein Bein ab, wenn man als Mensch der Mitte (und das sind Sie eigener Aussage zufolge) den Aufforderungen zu solchen Demonstrationen (oder „Spaziergängen“) folgt.
Wer gegen ein Containerdorf für Geflüchtete protestiert, weil er oder sie automatisch Angst um die deutschen Kinder hat angesichts der Menschen aus dem Ausland, der denkt, spricht und handelt in diesem Moment rassistisch.
Wenn der Oberbürgermeister die Ortsteilvertretung nur mit Polizeischutz verlassen kann, weil die Menge ihm aggressiv begegnet, dann handelt es sich bei dieser Menge um einen Mob.
Insofern ist die Wortwahl in unserem Aufruf gut begründet. Leider haben die Ereignisse vor dem Greifswalder Rathaus am 2. März diese Wahrnehmung noch einmal bestätigt.
Zu guter Letzt: Die leidvolle Familiengeschichte oder der gesellschaftlich so notwendige und mit großem Engagement ausgeübte Beruf stehen nicht zwangsläufig in Zusammenhang mit den politischen Haltungen eines Menschen. Wenn Sie nicht als Teil eines rassistischen Mobs wahrgenommen werden möchten, so gibt es dafür nur die Lösung, sich von eben jenem innerlich und äußerlich abzugrenzen. Man sollte bestimmt darüber sprechen, ob wir in der Stadt bessere Lösungen für die Geflüchteten finden können als ein Containerdorf. Aber man sollte nicht gemeinsame Sache machen mit Leuten, die von „unkontrollierter Einwanderung“ faseln, „Lügenpresse“ brüllen oder Kommunalpolitiker*innen bedrohen.
Das Bündnis „Greifswald für alle“ und andere Initiativen rufen zu einer Kundgebung am Donnerstag, 17:00 Uhr, vor dem Eingang des Rathauses in Greifswald auf. An dem Tag ist die Sitzung des Hauptausschusses zur Unterbringung von Geflüchteten in Greifswald.
Die Zustände Ortsteilvertretung an der Caspar-David-Friedrich-Schule und die Ankündigung der „besorgten Bürger*innen“ mit ihren rassistischen Ausfällen am Donnerstag zur Hauptausschuss-Sitzung eine weitere Protestaktion durchzuführen, ist Anlass, diesem etwas entgegen zu setzen.
Der „Sichere Hafen Greifswald“ bedeutet das Eintreten für ein uneingeschränktes Recht auf Asyl. Dem wollen wir mit der Kundgebung Ausdruck verleihen und rufen die Menschen in Greifswald zur Teilnahme auf.
Eins ist mit Sicherheit richtig: Die Unterbringung von Menschen in Containern ist auf Dauer keine gute Lösung.
Gegen die Errichtung eines Containerdorfs für Geflüchtete auf der großen Wiese neben der Caspar-David-Friedrich-Schule protestierten laut OZ während der Sitzung der Ortsteilvertretung etwa 500 Anwohner*innen (wobei niemand weiß, ob die dort anwesenden Menschen auch wirklich alle in der Nähe wohnen). Die von ihnen vorgebrachten Begründungen sind – soweit in der Zeitung nachzulesen – von Vorurteilen geprägt und rassistisch gefärbt. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Präsenz von geflüchteten Menschen zum Beispiel für Kinder gefährlich werden sollte. Wer das denkt, vermutet von Menschen, die aus einer anderen Kultur stammen, offenbar anderes als von den deutschen Nachbarn im eigenen Wohnblock – und das ohne jede Berechtigung.
Verwunderlich übrigens, dass die nicht angemeldete Demonstration von den Ordnungskräften so lange geduldet wurde, während die sehr wohl angemeldete Demo für Humanismus und gegen Rassismus in die Sackgasse geschickt wurde.
Vertreter*innen der SPD, der Linken und der Grünen haben sich ebenfalls flugs gegen die Errichtung eines Containerdorfs für Geflüchtete am Randes Ostseeviertels ausgesprochen: Sie fordern Alternativen, also wirklich menschenwürdigen Wohnraum und die Möglichkeit zu echter Integration. Das ist nachvollziehbar. Leider haben die entsprechenden Politiker*innen jedoch vergessen, sich von den antihumanistischen Aussagen derjenigen, die auf der Straße protestierten, gründlich abzugrenzen. Es ist zu hoffen, dass sie das schnell nachholen. Außerdem: Wo soll der Wohnraum herkommen?
Das Bündnis Greifswald für alle möchte dazu einen konstruktiven Vorschlag unterbreiten.
Die Anzahl der erwarteten Geflüchteten und derjenigen, die gegen ihre Unterbringung auf der Wiese in Schönwalde protestiert haben, ist laut OZ dieselbe: Jeweils 500 Menschen. Wir machen es einfach so:
Alle Demonstrant*innen ziehen in die Container. Damit ist auch für die aus irgendwelchen Gründen besorgten Bürger*innen aus dem Stadtteil gewährleistet, dass sie in den Containern nur gute Deutsche als Nachbarn vorfinden. Die geflüchteten Menschen wiederum bringen wir in den Wohnungen unter, die durch diese Umzüge freigeworden sind. Das schafft für die Menschen, die sich nun in Greifswald integrieren möchten und sollen, außerordentlich gute Grundvoraussetzungen und sorgt für eine hervorragende Durchmischung der alteingesessenen und der neu eingetroffenen Bevölkerung.
So könnte Greifswald seinem Ruf als weltoffene Stadt ohne jegliche Komplikation und im Interesse aller gerecht werden!
Mit Beschluss der Bürgerschaft vom 22.10.2018 hat sich die Stadt Greifswald zum „sicheren Hafen“ erklärt und gehört damit zum zivilgesellschaftlichen Bündnis „Seebrücke – schafft sichere Häfen“, dem sich in Deutschland zahlreiche Städte und Kommunen angeschlossen haben. Die Aktion „Sicherer Hafen“ bezieht sich in erster Linie auf die Seenotrettung. Der Gedanke, der dahintersteht, sollte angesichts der jüngsten Ereignisse jedoch auch auf die sichere Unterbringung Geflüchteter Anwendung finden.
Die Ereignisse in Loitz und anderswo, bei denen offen mit Ultimaten, Drohungen und anderen Aktionen Stimmung gegen die Unterbringung Geflüchteter in den jeweiligen Gemeinden gemacht wird, müsste tolerante und weltoffene Gemeinden und Städte dazu bringen, sich aktiver für den Schutz geflüchteter Menschen, egal woher sie kommen, einzusetzen.
Wir, die unterzeichnenden Personen, Vereine, Verbände, Bündnisse und Organisationen, sind deshalb der Ansicht, dass alle Städte und Kommunen unter humanistischen Gesichtspunkten prüfen sollten, ob sie nicht in der Lage sind, mehr Menschen aufzunehmen als nach behördlichen Verteilungsschlüsseln zugewiesen werden. Die Stadt Greifswald mit ihrer Infrastruktur und mit den hier lebenden Menschen ist in der Lage, mehr geflüchtete Menschen aufzunehmen als dies in gesetzlichen Quoten und Zuweisungen seitens der Behörden vorgesehen ist. Es kann und muss dies auch ein Signal für Toleranz und Menschenfreundlichkeit und gegen rassistische und fremdenfeindliche Tendenzen sein, die bei den Protesten gegen Gemeinschaftsunterkünfte immer wieder zu beobachten sind.
Der Oberbürgermeister der Universitäts- und Hansestadt Greifswald wird aufgefordert, die Verantwortlichen auf Kreis- und Kommunalebene einzuladen, um für Weltoffenheit und einen offensiveren Umgang gerade im Vorfeld der Unterbringung geflüchteter Menschen zu werben. Dies wäre ein Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, welche auch in der sogenannten „bürgerlichen Mitte“ der Gesellschaft zu finden sind.
Liste der bisherigen/angefragten Unterstützenden/Unterzeichnenden:
Greifswald für alle Greifswald hilft Pfadfinderbund DGB Vorpommern Migrantenbeirat Lobbi Straze Ikuwo Klex weitere Einzelpersonen, Initiativen, Institutionen, Organisationen…
Pressemitteilung des Bündnisses „Greifswald für alle“ –
Am 31. Januar kamen in Greifswald etwa 20 Menschen aus dem Kreis Vorpommern-Greifswald zusammen, die sich an verschiedenen Orten und in unterschiedlichen beruflichen oder ehrenamtlichen Zusammenhängen für die Belange der Gesellschaft engagieren. Man kann uns getrost als besorgte Bürger*innen bezeichnen: Uns eint das Entsetzen über die Situation in Loitz.
Angesichts der bedrohlichen Situation in vielen Ländern fliehen Menschen vor Krieg, Gewalt und Unterdrückung. Das Grundgesetz sichert ihnen im Artikel 16a Schutz zu: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Ob das Asyl den Geflüchteten nach eingehender Prüfung auch gewährt wird, ist im Einzelfall zu entscheiden; aber das Recht, Asyl zu beantragen, hat erst einmal jede*r. Je nach Weltlage kann sich die Zahl derjenigen, die um Asyl ersuchen, verändern. Das mag einzelne Ortschaften auch vor Herausforderungen stellen; aber an der sogar im Gesetz verankerten Notwendigkeit, Schutzsuchenden zu helfen, ändert das nichts.
Auch in der Kleinstadt Loitz leben seit kurzem geflüchtete Menschen. Raum ist vorhanden, es gibt ein zumindest anfänglich geeignetes Gebäude, in dem sie zunächst wohnen können.
In der Kleinstadt Loitz leben viele andere Menschen schon deutlich länger. Wir möchten vermuten, dass die meisten mit der Anwesenheit von Menschen, die ihr Land (samt Kultur, Gewohnheiten, Sprache) keineswegs freiwillig verlassen haben, gut und solidarisch umgehen können.
Wir sind jedoch erschüttert darüber, wie eine laute und aggressive Minderheit in der Frage des Umgangs mit geflüchteten Menschen den Ton angibt – und an ganz falscher Stelle sogar gehört wird.
In Loitz hat ein Mädchen behauptet, sie habe einen Übergriff von Seiten eines geflüchteten Mannes erfahren. Diese Behauptung war schlicht erfunden. Wir fragen uns, was und wie in der Umgebung jenes jungen Kindes wohl gesprochen wird, sodass sie auf den Gedanken kommen konnte, eine solche Lügengeschichte könnte für ihre Familie interessant sein.
In Loitz überprüfte man nicht zunächst den Wahrheitsgehalt dieses Märchens, sondern einige Menschen entschlossen sich zu einem offenen Brief an die Verwaltung, der von abenteuerlichen Forderungen aufgrund der angeblich gefährdeten Sicherheit nur so strotzt, so unverhohlen wie unbegründet gegen die Geflüchteten hetzt und sogar mit Selbstjustiz droht.
In Loitz sprach die Bürgermeisterin aus, sie habe Verständnis für die Sorgen der Briefeschreiber*innen.
In Loitz brennen (Energiekrise hin oder her) seither die Straßenlaternen auch zu nachtschlafender Zeit, um die angeblich gefährdete Sicherheit zu gewährleisten.
In Loitz beging die Verwaltung den gewaltigen Fehler, auf Drängen der Briefeschreiber*innen einen Informationsabend zur Lage zu veranstalten. Und es geschah, was absehbar war: Der Saal füllte sich zu weiten Teilen mit grundlos empörten Menschen, die sich anderthalb Stunden lang rassistisch und allgemein menschenfeindlich äußerten.
In Loitz setzt man einen solchen Gesprächsversuch dennoch fort, wenn man zur Verwaltung gehört. Man erteilt tatsächlich nur genau einem Menschen einen Platzverweis, obwohl es zahlreiche weitere Anlässe gab. Man lässt sich von Hetzern niederbrüllen und höhnisch auslachen. Man geht nicht auf die Hinweise zu Nazischmierereien im Ort ein, die von einem mutigen Menschen in jener Versammlung ebenfalls benannt wurden. Wie es den Geflüchteten geht, interessiert niemanden. Kurz: Man bietet ortsansässigen wie zugereisten Rechten und Lügnern die perfekte Bühne und gibt ihnen gar das Gefühl, ihre Menschenfeindlichkeit habe Berechtigung.
In Loitz sollte man die Menschenfeindlichkeit einiger Bewohner durchaus ernst nehmen. Man kann sich wirklich ernsthaft Sorgen machen – Sorgen um die Sicherheit und das Wohlergehen der Geflüchteten.
In Loitz wohnen derzeit noch nicht einmal 40 Menschen, die aus ihrem Land fliehen und alles zurücklassen mussten. Die rassistischen Vorurteile und die Lügen treffen sie hart. Und auch sonst sind ihre Lebensumstände nicht ausschließlich glücklich. Diese Auskünfte haben wir von den Geflüchteten bekommen:
Alle Geflüchteten tragen ein Armband mit einer Nummer, mit Namen werden sie vom Personal in der Unterkunft nicht angesprochen. Die Menschen, die dort arbeiten, kennen die Sprache der Geflüchteten nicht; nur selten ist jemand anwesend, der dolmetschen kann. Die dringend benötigte Hilfe, etwa beim Ausfüllen von Formularen, steht nicht zur Verfügung. Das Essen ist regelmäßig nicht ausreichend. Als Strafmaßnahme gegen die Geflüchteten haben die dort Arbeitenden schon wiederholt bei verschiedenen Anlässen das WLAN ausgeschaltet; zu solchen Zeiten können die geflüchteten Menschen das Internet nicht nutzen, sprich: Keine Nachrichten in ihrer Sprache wahrnehmen, nicht mit ihrer Familie in Kontakt bleiben, nicht den Google-Übersetzer nutzen.
(Die Unterkunft wird übrigens vom DRK betrieben und von einem Menschen geleitet, der in ähnlicher Funktion an anderem Ort nicht ausschließlich durch Konstruktivität aufgefallen ist.)
Waschechte Egoist*innen, hemmungslose Vorurteilszüchter*innen und rechte Menschenverächter*innen gibt es in Loitz offenbar mehr als genug. Aber auch in Loitz sind sie sicher nicht in der Mehrheit.
Wir fordern die Verwaltung auf, verlässlich für die Sicherheit und Integration wirklich aller Menschen in unserem Land zu sorgen, unabhängig davon, wie lange sie schon hier leben. Und wir bitten jeden einzelnen Menschen um jene Courage, die manchmal nötig ist, um sich im Großen wie im Kleinen klar von den rechten Positionen auch im eigenen Umfeld abzugrenzen.
Der 9. November ist ein besonderes Datum in der deutschen Geschichte. Wir wollen uns in diesem Gedenken am Mittwoch versammeln. Zur gleichen Zeit findet eine sog. „Friedensdemo“ aus dem Querdenker-Umfeld auf dem Markt statt. Dieser wollen wir nicht allein den Markt überlassen. Kommt zahlreich und zeigt den Rechten, dass insbesondere an diesem Tag ihnen nicht der Markt gehört.
Die CDU-Kandidatin Tolani erklärte die Querdenkenbewegung mit ihrem politischen Arm „dieBasis“ zum „bürgerlichen Lager“ und wirbt um Stimmen bei dieser. Denn die bräuchte sie, um bei der Stichwahl Chancen auf den Chefsessel im Greifswalder Rathaus zu haben.
Mitbewerberin Schuppa-Wittfoth von „dieBasis“ kam auf überraschende 8 % der Stimmen, wurde Drittplatzierte. Möglich war dieses gute Abschneiden durch viel Wahlkampfeinsatz und durch den Umstand, dass die AfD niemanden aufstellte. Bekannt wurde Schuppa-Wittfoth durch einen Brief, in dem sie Holocaust relativierende Aussagen tätigte. Sie verglich die Pandemieprävention mit der Situation der Jüdinnen und Juden im Dritten Reich.
Schuppa-Wittfoth war stellvertretende Leiterin der örtlichen Querdenken-Demonstrationen, zu deren Orga-Team Franziska Gerbe gehörte, die zuvor in der Identitären Bewegung Deutschland aktiv war. Ebenfalls im Orga-Team ist Andreas Pieper, der sich selbst als Verschwörungstheoretiker bezeichnet, die Identitäre Bewegung verteidigte und explizit keinerlei Abgrenzung zu Personen vom rechten Rand vornehmen will. Die Redebeiträge und politischen Statements von Teilnehmenden der Greifswalder Demonstrationen waren entsprechend; von Solidarität mit Wladimir Putin über Fake News zu Corona bis hin zu Forderungen nach tödlicher Selbstjustiz per Forderung nach „Dexter help!“ und einem „Nürnberg 2.0“, also auch für die Politiker:innen der CDU! Norbert Kühl, der durch antisemitische Reden auf den von ihm organisierten Greifswalder Pegidamärschen (FFDG), auffiel, war zeitweise organisatorisch ebenfalls beteiligt. Häufiger Redner war zudem Martin Blumentritt, der bewusst die Nähe zu AfD-Flügel-Politikern wie Petr Bystron sucht, ansonsten aber die AfD für eine zu linke Systempartei hält, und in seinen Reden immer wieder Aurufe für einen Sturm auf den Reichstag tätigt.
Eine äußerst unappetitliche Bewegung, von sachlicher Kritik an einzelnen Pandemiemaßnahmen weit entfernt. Kein Wunder, dass „dieBasis“ vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Was also bringt CDU-Kandidatin Tolani dazu, um Stimmen aus diesem Milieu zu werben und es als „bürgerliches Lager“ aufzuwerten? Ihre originale Reaktion zur Wahlempfehlung von Schuppa-Wittfoth war: „Das bürgerliche Lager sollte nun zusammenstehen, damit wir den Politikwechsel im Rathaus schaffen“ und als die OSTSEE-ZEITUNG die Kritik an Schuppa-Wittfoth verdeutlichte und daher nochmal nachfragte, bekräftigte Tolani sogar, dass sie Schuppa-Wittfoth „nach wie vor dem bürgerlichen Lager zuordne“ und sich über die Unterstützung freue.
Greifswald war seit der Wende CDU-regiert. Mit Stefan Fassbinder änderte sich das 2015. In die Stadt kamen nämlich immer mehr junge Menschen und Akademiker:innen, die Politik sollte ökologischer, dynamischer, sozialer werden. Die örtliche CDU befand sich nicht auf Merkel-Linie, orientierte sich eher an WerteUnion-Kreisen. Aber eines hat die Greifswalder CDU gelernt: sie muss sich neu erfinden, um das Rathaus zurückzuerobern. Gelingen kann das kaum mit dem ruppigen Malermeister Hochschild, eventuell aber mit der Jura-Professorin Tolani. Dass sie nur oberflächlich urban-weltoffen-progressiv erscheint und hinter ihrer Fassade die Law-and-Order-CDU von vorgestern steckt, wissen nur die Kommunalpolitik-Interessierten.
Auf jeden Fall setzte die CDU massive Wahlkampfmittel ein, um Fassbinder zu stürzen. Die Attitüde des Machterhalts als zentrales Ziel äußert sich vor allem in dieser Aussage von Tolani: „Sieben Jahre unter grüner Ägide waren ein Experiment, das nun beendet werden sollte.“ Als hätte die CDU ein gottgegebenes Anrecht aufs Regieren und alles andere wären historische Ausrutscher; die rhetorische Anleihe an einen CDU-Slogan aus Zeiten des Kalten Kriegs ist auch kein Zufall.
Sie führt weiter aus: „derzeit ist die Gesellschaft gespalten,“ sie hingegen würde „Oberbürgermeisterin für alle Greifswalder“ sein. Es ist eine klassisch populistische Formulierung, von einer bewusst herbeigeführten „Spaltung“ zu reden, um eine Wiederherstellung der Einheit des Volkes anzubieten. Dass sie die Populismuskarte zieht, kann man souverän ignorieren, aber besonders brisant wird es, wenn damit explizit auch die radikale Querdenkenbewegung eingeschlossen wird.
Tolani, Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Wismar, ist relativ neu in der Politik; seit 2013 in der CDU und seit 2019 in der Bürgerschaft. Das kann durchaus ein Pluspunkt sein, wenn man unvoreingenommen ist, noch Ideale hat. Aber es ist auch mit Risiken verbunden, allzu leichtfertig die Nähe zu Radikalen und Verschwörungsgläubigen zu suchen und sich auf Unkenntnis zu berufen. Gegenüber der Ostsee-Zeitung betonte sie, sie „kenne auch keine Briefe oder Videos, die die Vorwürfe von Gfa unterstützen könnten.“ Keine Ahnung, nichts gewusst, nichts mitbekommen? Schwer zu glauben, aber wenn es stimmen würde: auf dieser Grundlage möchte sie eine Verwaltung mit hunderten Mitarbeiter:innen führen und sogar die angebliche „Spaltung“ der Stadt beenden?
So manche ihrer Bürgerschaftsreden erscheinen nun auch in einem anderen Licht. So kritisierte sie etwa einen Antrag gegen Rassismus, Antisemitismus und Faschismus, weil dieser sich angeblich nicht gegen Nationalsozialismus richte. Zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts findet sie also nur wichtig, wenn direkt Holocaust und Weltkrieg verhindert werden müssten? Die antisemitischen, rassistischen und faschistoiden Tendenzen auf dem Weg dorthin umarmt sie lieber, als darin eine Gefahr für unsere Gesellschaft zu sehen?
Einer Aufnahme von Geflüchteten aus Lesbos, angesichts der schrecklichen Zustände im Lager Moria über die Aufnahme von 5 Kindern hinaus, konnte sie auch nicht zustimmen. Ihr moralisch-politischer Kompass wirft immer mehr Fragen auf.
Leider fügt sich auch ins Bild, dass die Greifswalder CDU-Fraktion, der Tolani seit 2019 angehört, eine Zählgemeinschaft mit der AfD einging und von 2019 bis 2022 mit einer Einzelbewerberin hat, die seit Jahren durch ihre Rechtsoffenheit bekannt ist und ebenfalls auf den Querdenkendemonstrationen Reden hielt.
Nicht erwähnenswert wäre es an dieser Stelle eigentlich, dass Tolani natürlich auch wenig für Klimaschutz übrig hat und natürlich auch für das Bekenntnis der Bürgerschaft zur Fertigstellung von Nord Stream II stimmte. Trotz der damals bereits bekannten Problemlage mit Krim, Donbas und Umgehung der Interessen der von Russland bedrohten Länder. Erwähnenswert ist es aber dennoch, da sie in der OZ-Podiumsdiskussion den Versuch startete, dem amtierenden Oberbürgermeister Fassbinder zum Vorwurf zu machen, er hätte in der Zeit vor Kriegsbeginn zu wenig Distanz zu Russland gehabt. Absurd, denn Fassbinders Partei sowie die Tierschutzpartei stimmten gegen Nord Stream II. Tolani stimmte für den Bau und verteidigte die umstrittene Pipeline sogar vehement. Und noch absurder ist es, dass ihr Versuch Teil einer ablenkenden und verharmlosenden Antwort auf die Frage nach ihrem skandalösen Verhältnis zu „dieBasis“ war!
Schauen wir uns Schuppa-Wittfoth an. Vor Beginn der montäglichen Querdenken-Demonstrationen war sie reine Privatperson. Sie machte einen Fernstudien-Abschluss an der Fachhochschule Wismar und arbeitet in der Kanzlei ihres Mannes. Auf öffentlichen Veranstaltungen zur OB-Wahl gab sie sich betont moderat, unterließ extreme Aussagen. Doch wie moderat kann eine Kandidatin sein, deren Facebookprofil eine einzige AfD-Propagandafläche ist?
Wir haben uns ihr öffentliches Profil angeschaut und gezählt, welche Seiten, Politiker:innen und Parteien sie dort geteilt hat. Sie steht der AfD näher als ihrer eigenen Partei, wenn man nach der Anzahl der jeweiligen Partei-Postings geht. Die meisten Themen betreffen die Coronamaßnahmen. Aber gerade hier hätte doch ihre eigene Partei „dieBasis“ genügend Material zum Teilen zu bieten. Sie entscheidet sich aber bewusst weitaus häufiger dafür, ihre Unterstützung für die AfD öffentlich zu bekunden.
Über 57 % ihrer Postings sind von der AfD, nur 19 % von „dieBasis“ und weitere 3,5 % von einer Abgeordneten, die von der AfD zu „dieBasis“ wechselte. Schon an dritter Stelle folgt die österreichische FPÖ und an fünfter Stelle die schweizerische SVP. Beides Parteien am extrem rechten Rand. Von der Partei DIE LINKE sind auch einige Postings, etwa von Wagenknecht oder Dagdelen. Nur jeweils knapp 1 % entfallen auf die österreichische Querdenken-Partei MFG, auf die „Freien Sachsen“ und auf die CDU.
Von den konkreten Politiker:innen steht an erster Stelle Martin Sichert (AfD), gefolgt von Martin Schwab (dieBasis), Herbert Kickl (FPÖ), Dirk Spaniel (AfD), Sven Tritschler (AfD), Alice Weidel (AfD), Christian Blex (AfD), Christine Anderson (AfD), Heike Themel (dieBasis, zuvor AfD), Roger Köppel (SVP), Götz Frömming (AfD), Sahra Wagenknecht (DIE LINKE), Bernd Goldenbogen (dieBasis), Christoph Berndt (AfD), Petr Bystron (AfD), Bernhard Zimniok (AfD).
Die anderen Politiker auf Schuppa-Wittfoths öffentlichem Facebookprofil sind nicht minder problematisch: Herbert Kickl wird vorgeworfen, „ganz bewusst antisemitische Codes“ in seinen Reden zu verwenden und hat eine lange Liste an Skandalen hinter sich. Dirk Spaniel gehört zum rechtsextremen „Flügel“, strebt den Dexit an, steht Jürgen Elsässer nah. Christoph Berndt wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft. Petr Bystron arbeitet mit Rechsextremen (Identitäre Bewegung, DIE RECHTE) zusammen, lud Störer in den Bundestag ein und wurde vom Verfassungsschutz mehrfach als Begründung für die Einstufung der AfD als Prüffall angeführt. Roger Köppel ist bekennender Trump-Unterstützer, trat mehrfach im Propagandasender RT Deutsch auf.
Nun könnte man ja meinen, dass es Schuppa-Wittfoth nur um einzelne Positionen dieser fragwürdigen Personen ginge. Dagegen spricht jedoch, dass auch die Quellen, die sie (mit)teilt, ein allzu deutliches politisches Muster aufweisen. Neben Corona-Themen von ServusTV & Co. sowie Bhakdi und Wodarg teilt sie: Reitschuster, Solidarität mit Uwe Steimle, „Was ist die Matrix?“, KenFM, Multipolar-Magazin, Zeitzumaufwachen, Deutschland Kurier, RT Deutsch, AUF1, Ruediger Dahlke, Junge Freiheit (mehrfach!), Rubikon, unzensuriert.at, eingeschenkt.tv, klardenkentv etc. Die sogenannten Mainstreammedien, insbesondere die Ostsee-Zeitung, meidet sie eher. Passend zum Aufruf auf den Greifswalder Querdenkendemonstrationen, die Mainstreammedien, und namentlich die Ostsee-Zeitung, zu boykottieren.
Wohlgemerkt sind dies die öffentlichen Teilungen seit Dezember 2021, seitdem Schuppa-Wittfoth also öffentlich in Erscheinung trat und für die Querdenkenproteste in Greifswald mitverantwortlich ist.
Eine Abstimmung zur Wahlpräferenz innerhalb der Greifswalder Querdenkenbewegung auf Telegram ergab auch eine absolute Mehrheit für Tolani. Eine öffentliche Wahlempfehlung wollen sie dennoch nicht aussprechen und lediglich 5 % würden Fassbinder empfehlen wollen.
Dass das Greifswalder Querdenken-Orgateam bei weitem nicht nur Coronathemen zum Anliegen haben, zeigt übrigens diese interne Ankündigung:
Madeleine Tolani zählt diese wissenschaftsfeindliche, verschwörungsideologische und rechtsoffene Querdenkenbewegung mit ihrem politischen Arm und deren Kandidatin Schuppa-Wittfoth zum „bürgerlichen Lager“, möchte damit Greifswalds „Spaltung“ beenden und will auf den letzten Metern noch das „Experiment“ der letzten sieben Jahre beenden, indem sie am kommenden Sonntag mehr als 50 % der Greifswalder Stimmen bekommt. Es ist zu hoffen, dass Greifswald anders tickt.