1: Was genau ist geplant in Greifswald?
Neben den bereits existierenden Unterbringungsstandorten für Geflüchtete werden neue Möglichkeiten zur Unterbringung benötigt, da man auftretenden Engpässen in der Zukunft vorbeugen will. Es wurden letztlich drei Standorte an den Landkreis gemeldet: 1. Festspielplatz an der Jungfernwiese, 2. die Wiese bei der Lise-Meitner-Straße sowie 3. der alte Sportplatz neben dem Landratsamt in der Feldstraße. Es dürfen jeweils nicht mehr als 100 Menschen untergebracht werden und dies auch nicht dauerhaft. Und auch nur, falls es überhaupt Bedarf dafür gibt und andere Unterbringungsmöglichkeiten in der Stadt oder im Landkreis nicht möglich sein sollten.
2: Es sollten ursprünglich 500 Geflüchtete untergebracht werden?
Trotz der von der Kreisverwaltung genannten Zahl von 500 war es weder Bestandteil der Standorte-Prüfung durch die Stadtverwaltung, ob diese Anzahl an einem oder an mehreren Standorten untergebracht werden können, noch ist bekannt, wie viele Menschen es am Ende tatsächlich sein werden, da der Bedarf und die Anzahl der Zuweisungen in der Zukunft unbekannt sind.
Bei der Standorte-Prüfung der Stadtverwaltung ging es auch nur um baurechtliche und infrastrukturelle Kriterien für Containerbebauung, unabhängig davon, wie viele Container dort Platz haben sollen. Es ging der Stadt also nie um 500 Geflüchtete und spätestens seit dem Beschluss der Bürgerschaft erst Recht nicht darum, dass diese Anzahl an einem einzelnen Standort untergebracht werden sollen.
3: Warum hat der Oberbürgermeister überhaupt Standorte angeboten?
Der Landrat Michael Sack (CDU) hat die Greifswalder Verwaltung genauso wie alle anderen Verwaltungen im Landkreis angefragt, um etwaige Kapazitätsengpässe in der Zukunft auffangen zu können. Innerhalb der Greifswalder Verwaltung ist die Bausenatorin Jeannette von Busse (CDU) für die Suche und Bewertung der Standorte zuständig. Der Oberbürgermeister hat lediglich das Ergebnis dieser Prüfung verkündet. Mit der Meldung an den Landkreis wurde keinerlei Entscheidung über Container getroffen.
Die Frage, ob die Stadtverwaltung die Anfrage des Landkreises auch hätte negativ bescheiden können, stellt sich nicht ernsthaft, da Landkreis und Stadt sich diesbezüglich selbstverständlich nicht gegenseitig anlügen. Es gibt geeignete Flächen, unabhängig von der Frage, ob man auf ihnen Container errichten möchte oder nicht.
4: Warum wurde die Öffentlichkeit nicht früher eingebunden?
Es handelte sich um eine Anfrage der Kreisverwaltung zu geeigneten Standorten für Container, die die Stadtverwaltung im Dezember 2022 erreichte. Die Stadtverwaltung hatte zu diesem Zeitpunkt keine Informationen über Möglichkeiten oder Absagen anderer Verwaltungen im Landkreis, auch wenn klar war, dass alle Verwaltungen im Landkreis angefragt wurden.
In der öffentlichen Bürgerschaftssitzung im Februar 2023 wurde über das Ergebnis der ersten Standorte-Prüfung informiert und mitgeteilt, dass die Entscheidung, welche Flächen tatsächlich zu diesem Zweck dem Landkreis angeboten werden könnten, zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Eine Einbindung der Öffentlichkeit war also nicht unerwünscht, sondern selbstverständlich vorgesehen.
Dass eine Einbindung der Öffentlichkeit von verschiedenen Seiten gefordert wurde, bedeutet nicht, dass keine vorgesehen war. Die nichtöffentliche Hauptausschusssitzung entschied auch über nichts, sondern wollte lediglich eine konstruktive Beratung ohne Störungen ermöglichen.
5: Wieso sind die Mitte-Links-Parteien für die Container?
SPD, Grüne, Linke, Tierschutzpartei und Alternative Liste haben sich nicht per se für Container ausgesprochen, da es sich um keine menschenwürdige Unterbringung handelt. Sie möchten stattdessen dezentrale Unterbringungen und stellten dies auch bereits klar, bevor es öffentliche Protestkundgebungen gegen angebliche „Containerdörfer“ im Ostseeviertel gab.
Insbesondere wenn leerstehende Wohnungen hergerichtet werden, ist dies auch für die gesamte Bevölkerung eine bedeutend nachhaltigere Lösung. In einigen Städten des Landkreises herrscht ein Wohnungsleerstand von rund 10 %. Auch wenn Greifswald aufgrund seiner infrastrukturellen Gegebenheiten die bessere Standortwahl ist, sollte eine dezentrale Unterbringung auch andere Städte im Landkreis berücksichtigen. Torgelow zeigt, dass dies funktioniert, denn dort leben problemfrei mehr Geflüchtete pro Einwohner*innen als in Greifswald.
6: Warum gab es dennoch eine politische Mehrheit für die Containerlösung?
Die Mehrheit im Kreistag für die großen Containersiedlung kam durch die Mehrheiten in den Fraktionen CDU, FDP/KfV/BG und DIE LINKE zustande. Die Mehrheit bei SPD, GRÜNE und Tierschutzpartei stimmte nicht dafür, sondern enthielt sich oder stimmte dagegen. Grüne und Tierschutzpartei brachten noch erfolgreich einen Änderungsantrag durch, der dezentrale Unterbringung priorisierte. Dennoch genehmigte der Kreistag die Annahme von Geldern der Landesregierung für die Anschaffung von Containern – aber eben wegen des Änderungsantrags nur falls und insoweit dezentrale Unterbringung nicht möglich sein sollte.
In der Greifswalder Bürgerschaft gab es später eine Mehrheit für kleinere Containerbauten als Notlösungen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sein sollten (mit Ja stimmten SPD, LINKE, Grüne, Tierschutzpartei und Alternative Liste; mit Nein stimmten entgegen ihres vorherigen Votums im Kreistag CDU, KfV, BG, FDP und wie zuvor die AfD).
Die Ja-Stimmen gab es insbesondere, weil ansonsten Turnhallen als Unterkünfte verwendet werden müssten. Und das muss verhindert werden, da dies noch schlechtere Unterkünfte sind und zulasten der Sporttreibenden ginge.
7: Kann man Unterkünfte für Geflüchtete verhindern?
Man kann bessere Lösungen als Container oder geeignetere Standorte durchsetzen und sogar Bürgerentscheide organisieren. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland möchte aber, dass wir in unserem Land Geflüchtete aufnehmen und dass wir als gastfreundliches Land in der Welt angesehen werden können. Auch in Greifswald ist die Mehrheit für Weltoffenheit, Humanität und Gastfreundlichkeit.
Und letztlich gibt es internationale sowie nationale Gesetze, die ein Recht auf Asyl vorsehen. Wenn Menschen flüchten, müssen sie also erstmal untergebracht werden. Kein Bürgerentscheid kann dies aushebeln. Es würde bei entsprechender Änderung der lokalen Politik lediglich an anderer Stelle dafür mehr Unterkünfte geben müssen oder die Unterkunftsart wird geändert. Weder „Not in my backyard“ noch menschenunwürdige Unterbringungen können aber sinnvolle politische Lösungen sein.
8: Aber wenn genügend Druck ausgeübt wird, ändert sich die Haltung von Politik und Gesellschaft zur Asylpolitik?
Das könnte womöglich das Ziel der CDU-geführten Verwaltung und von den hiesigen Mitte-Rechts-Rechtsextrem-Fraktionen gewesen sein. Denn obwohl andere Lösungen machbar wären, bestanden sie im Kreistag auf der Errichtung einer großen Containersiedlung an einem Standort in Greifswald. Weder wurde ausreichend geprüft, ob in anderen Städten des Landkreises angemessene Lösungen geeignet sind, noch wurden Gelder für die Sanierung von leerstehenden Wohnungen beantragt. So war womöglich vorprogrammiert, dass es in Teilen der Bevölkerung zu Empörung kommt, die sich maßgeblich gegen die Politik von Ampel im Bund, von Rot-Rot im Land und gegen den grünen OB richtet.
Falls dies von der CDU-geführten Verwaltung so beabsichtigt war, kann man ihr nur den Hinweis geben: Wer auf diese Weise sich Stimmen bei den nächsten Wahlen erhofft, wird das Gegenteil erreichen, da man damit nur ungewollt Wahlwerbung für noch rechtere Kräfte macht. Und wie die Wahlen 2016-2017 zeigen, mobilisiert das voraussichtlich Wähler:innen, die mit Stimmen für linke Parteien dem Rechtsruck was entgegensetzen wollen. Ob also aggressiver und unsachlicher Protest einen politischen Wechsel herbeiführen kann, ist mehr als fraglich. Aber es kann zur gefährlichen Radikalisierung von Teilen der Bevölkerung führen.
9: Geflüchtete bringen doch Probleme mit sich?
Immer wieder wird mit Angst vor angeblichem Anstieg der Kriminalität argumentiert. Dies lässt sich jedoch nicht belegen. Auswertungen ergeben bundesweit, dass Geflüchtetenunterkünfte keinen Anstieg an Kriminalität im Umfeld bedeuten. Auch die Erfahrungen in Greifswald zeigen, dass an solchen Befürchtungen nichts dran ist. Man muss schon sehr von rechtsradikaler Propaganda beeinflusst sein, um immer noch an solche Märchen glauben zu wollen.
Vor einigen Tagen wurde für Berlin – eine Metropole mit viel Migrationshintergrund – die Statistik von Messerangriffen veröffentlicht. Mit weitem Abstand waren Deutsche die Täter! Auch die Statistik der Vornamen zeigt auf, dass „Christian“ der häufigste Täter ist. Der Logik von AfD & Co. folgend müssten sich demnach eher Demonstrationen gegen deutsche Männer formieren!
10: Bestehen Geflüchtete, die nicht aus der Ukraine stammen, vor allem aus jungen Männern?
Sowohl Geflüchtete aus der Ukraine als auch aus allen anderen Ländern sind stets gemischt. Lediglich die Anteile von Frauen, Männern, Älteren und Jüngeren unterscheiden sich jeweils. Bei den Menschen, die aktuell im Landkreis Vorpommern-Greifswald wohnen und nicht aus der Ukraine stammen, sind 69 % männlich, 31 % weiblich und ebenfalls 31 % sind unter 18 Jahre alt.
Grundsätzlich ist eine lange Flucht für Männer einfacher zu bewerkstelligen als für Frauen und Kinder. Und auch Männer haben Gründe für ihre Flucht, etwa weil sie nicht im Krieg töten und sterben wollen, und stattdessen ein Leben in Frieden vorziehen, auch um ihren Angehörigen später ein besseres Leben zu ermöglichen. Die Forderung, Geflüchtete sollten zurück nach Syrien oder Afghanistan, ist oftmals mit einer indiskutablen Forderung nach Folterung und Tod gleichzusetzen.
11: Warum werden nicht mehr Abschiebungen vorgenommen?
Aus humanitären Gründen ist es höchst fragwürdig, dass überhaupt und insbesondere wie Abschiebungen vorgenommen werden. Oft werden Familien mit Kindern abgeschoben, da aufgrund der Schulpflicht ein besonders leichter behördlicher Zugriff möglich ist. Derlei Praktiken sind zutiefst verurteilenswürdig! Der Grund, weshalb nicht noch mehr Menschen ohne Bleibeperspektive in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden, ist oftmals ganz einfach: die Herkunftsländer verweigern sich jeglicher Kooperation. Die ausreisepflichtigen Geflüchteten, die sich im Landkreis Vorpommern-Greifswald derzeit aufhalten, stammen übrigens gemäß der Statistik der Kreisverwaltung vor allem aus Russland.
Deutschland ist ein reiches Land, das seinen Wohlstand auf den hier lebenden Menschen jeglicher Herkunft und aus den zum großen Teil ausbeuterischen Handelsbeziehungen mit anderen Ländern aufgebaut hat. Solange es Armut, Kriege und Naturkatastrophen gibt, wird es Migration geben. Übrigens migrieren jedes Jahr zigtausende Deutsche in andere Länder, was jedoch interessanterweise kaum jemanden empört, weil mit zweierlei Maß gemessen wird.
12: Was passiert, wenn beim Bürger*innenentscheid die Nein-Stimmen gewinnen?
Da das Land MV Geflüchtete gemäß des Königsteiner Schlüssels und der Landkreis VG gemäß § 6 Abs. 1 ZuwFlAGDLVO M-V nach Einwohneranzahl zugewiesen bekommt, wird sich an der Anzahl der Geflüchteten, die untergebracht werden müssen, nichts ändern, sollten die Nein-Stimmen überwiegen.
Auch die symbolische Kraft gegen das Recht auf Asyl, die CDU und AfD in ihren Stellungnahmen behaupten, wird es nicht geben. Denn der Wortlaut des Bürger*innenentscheids gibt das gar nicht her. Die AfD beschwört aber bereits eine ganze Reihe von Bürgerentscheiden, um Geflüchtetenunterkünfte zu verhindern. Dies würde aber letztlich gegen Gesetze und das Grundgesetz verstoßen. Schon so einige ähnlich lautende Bürgerentscheide wurden daher in der Vergangenheit gar nicht erst zugelassen.
Fatal wäre aber das Ergebnis, wenn es mehr Nein- als Ja-Stimmen gibt, und dabei das Quorum von 25 % erreicht wird, da dann wohl Sporthallen als Unterkünfte verwendet werden müssten. Und das will niemand. Der Bürger*innenentscheid wird leider auf dem Rücken der Geflüchteten und aller Greifswalder Bürger*innen ausgetragen, was zutiefst verwerflich ist!
13: Welches Quorum?
Nur wenn mehr als 25 % der Wahlberechtigten mit „Nein“ stimmen, ist der Bürger*innenentscheid dergestalt bindend, dass zwei Jahre lang keine städtischen Flächen für Containerdörfer (was auch immer ein Dorf in diesem Zusammenhang bedeuten soll) verpachtet werden dürfen. Containerbauten auf privaten Flächen wären davon nicht betroffen. Stimmen mehr als 25 % der Wahlberechtigten mit „Ja“ oder keine Abstimmungsmöglichkeit erhält mehr als 25 %, kann die Stadt Flächen für Containerbauten an den Landkreis verpachten.
Wer mit „Ja“ stimmt, hebt also das Quorum des Bürger*innenentscheids ausschließlich für Ja und nicht für den Bürger*innenentscheid im Sinne der Initiatoren. Also keine Scheu davor, per Briefwahl oder am 18. Juni mit „Ja“ für Solidarität zu stimmen!
14: Wer sind die Initiatoren des Bürgerentscheids?
Die drei Initiatoren nehmen für sich in Anspruch, weder rassistisch noch rechtsextrem zu sein. Sie führen allerlei Scheinbegründungen aus, um dieses kreierte Image aufrechtzuerhalten. Doch allzuoft kommt der eigentliche Zweck des Bürgerentscheids zum Vorschein, wenn die Maske fällt und sie beispielsweise Interviews in rechtsextremistischen Medien geben (siehe Screenshot rechts) oder im Internet niederste Stimmungsmache gegen Migrant*innen betreiben.
Daher ist es so wichtig, mit einem „Ja“ ein deutliches Zeichen zu setzen, dass wir als Zivilgesellschaft einer weltoffenen, gastfreundlichen und solidarischen Universitäts- und Hansestadt auf das Manöver der Initiatoren nicht hereinfallen!
15: Spalten Greifswald für alle und die Ja-Kampagne die Gesellschaft?
Natürlich nicht. Eine Spaltung der Gesellschaft wird durch die Veröffentlichungen und Aktionen von GfA und der überparteilichen Ja-Kampagne nicht erzeugt, denn unterschiedliche Haltungen zu allen politischen Fragen sind jeder Gesellschaft stets inhärent. Wer aber von „Spaltung“ spricht, trägt vielmehr ein antidemokratisches Gesellschaftsbild in sich, bei dem es einen angeblich einheitlichen „Volkskörper“ gebe, der lediglich von inneren oder äußeren Feinden des Volks entzweit würde. Der Weg zu faschistoiden Vorstellungen ist dann nicht mehr weit. GfA hingegen steht für Demokratie, Weltoffenheit und Menschenrechte – und für gelebte Debattenkultur, die rechten Positionen keine Bühne geben will, damit wir auch weiterhin in einer weltoffenen Demokratie, die die Menschenrechte wahrt, leben können.