Im Vorfeld der gestrigen Versammlungen erreichte uns diese Nachricht per Mail

(in CC auch an eine OZ-Redakteurin gegangen)

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich nehme Bezug auf ihre aufgeführte Äußerung in der OZ vom 02.03.2023 zu dem Artikel Containerdorf: Beratung heute im Rathaus.

Ich bitte Sie zukünftig auf Äußerungen: „Dem rassistischen Mob entgegentreten“ zu verzichten. Bevor ich am Donnerstag zur Arbeit fahre und Menschen ergotherapeutisch, auch in Pflegeheimen, behandle, möchte ich nicht Bemerkungen lesen, die ich auf mich bezogen für unangemessen halte.
Meine Mutter wurde vertrieben, mein Vater verlor seine Mutter und Vater durch den Krieg. Wenn diese Menschen sich gegen das Containerdorf und den Hotelbezug durch Flüchtlinge bekennen, erwarte ich, dass sie von Ihnen nicht als rassistischer Mob beschimpft werden.

Freundliche Grüße

P.S. Sehr geehrte [OZ-Redakteurin],

auch als Verfasserin des Artikels tragen Sie eine gewisse Verantwortung. Eventuell finden Sie einen anderen Umgang mit Äußerungen  verschiedener Meinungen, so dass gegenseitige Verletzungen erst gar nicht eskalieren können.

Hierzu unsere Antwort:

Sehr geehrte besorgte Bürgerin,

als das Bündnis Greifswald für alle sich entschloss, für den 2. März zu
einer Kundgebung unter dem Motto „Asylrecht ist unantastbar. Dem
rassistischen Mob entgegentreten“ aufzurufen, lag der 27. Februar
bereits hinter uns.

Vielleicht waren Sie unter jenen 500 Menschen, die zum Zeitpunkt der
Sitzung der Ortsteilvertretung am Rande des Ostseeviertels unangemeldet
demonstriert haben; ganz sicher haben Sie Berichte dazu gelesen oder
gehört (OZ, NDR, Katapult usw.). Dann wissen Sie, dass unter anderem
deutlich als rechtsextrem wahrnehmbare Personen unter den
Demonstrierenden waren; dass Thomas Kerl sich geäußert hat (der sein
politisches Profil überhaupt erst ab 2015 entwickelt hat und seither
seine antihumanistische Haltung zu jedem verfügbaren Thema unter Beweis
stellt); dass Menschen diffusen Ängsten um ihre Kinder Luft machten und
zum Beispiel davon sprachen, man wisse ja, „diese Menschen“ (sprich:
Geflüchtete) könnten sich nicht benehmen.

Das rechtsextreme Spektrum ist gemeinhin an der Organisation solcher
Veranstaltungen mindestens beteiligt und freut sich ein Bein ab, wenn
man als Mensch der Mitte (und das sind Sie eigener Aussage zufolge) den
Aufforderungen zu solchen Demonstrationen (oder „Spaziergängen“) folgt.

Wer gegen ein Containerdorf für Geflüchtete protestiert, weil er oder
sie automatisch Angst um die deutschen Kinder hat angesichts der
Menschen aus dem Ausland, der denkt, spricht und handelt in diesem
Moment rassistisch.

Wenn der Oberbürgermeister die Ortsteilvertretung nur mit Polizeischutz
verlassen kann, weil die Menge ihm aggressiv begegnet, dann handelt es
sich bei dieser Menge um einen Mob.

Insofern ist die Wortwahl in unserem Aufruf gut begründet. Leider haben
die Ereignisse vor dem Greifswalder Rathaus am 2. März diese Wahrnehmung
noch einmal bestätigt.

Zu guter Letzt: Die leidvolle Familiengeschichte oder der
gesellschaftlich so notwendige und mit großem Engagement ausgeübte Beruf
stehen nicht zwangsläufig in Zusammenhang mit den politischen Haltungen
eines Menschen. Wenn Sie nicht als Teil eines rassistischen Mobs
wahrgenommen werden möchten, so gibt es dafür nur die Lösung, sich von
eben jenem innerlich und äußerlich abzugrenzen. Man sollte bestimmt
darüber sprechen, ob wir in der Stadt bessere Lösungen für die
Geflüchteten finden können als ein Containerdorf. Aber man sollte nicht
gemeinsame Sache machen mit Leuten, die von „unkontrollierter
Einwanderung“ faseln, „Lügenpresse“ brüllen oder Kommunalpolitiker*innen bedrohen.

Freundliche Grüße
vom Bündnis Greifswald für alle

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