Wer steckt hinter der Nein-Kampagne?

Die Initiatoren des Bürgerentscheids waren bis vor einigen Wochen noch weithin unbekannte Personen. Es sind Ralf Leonard, Christian Vollert und Ronny Bormann als formale Träger des Bürgerbegehrens sowie einige weitere Personen, die bislang mit ihnen zusammenarbeiteten oder öffentlichkeitswirksam für die Nein-Kampagne werben, etwa Thomas Kerl, Grit Wuschek und Eva Nehmzow. AfD und Teile der CDU erweitern das Unterstützungsumfeld.

Die Initiatoren machen bei jeder Gelegenheit für sich geltend, dass sie gar nicht per se gegen Geflüchtete seien, nicht rechtsradikal oder rassistisch seien. Gern wird dabei auch auf die aus Kuba stammende Freundin eines der Initiatoren verwiesen. Dass ausländische Herkunft oder Freundschaften mit aus dem Ausland stammenden Menschen schon lange kein Hinderungsgrund für rechtsradikale Einstellungen sein müssen, haben die Initiatoren und ihr Unterstützungsumfeld noch nicht mitbekommen. Die aus Kuba stammende Freundin erhält jedenfalls viel Zuspruch aus dem rechtspopulistischen Lager, sei es, wenn sie an der vornehmlich prorussischen Lubmin-Demo teilnimmt oder wenn sie auf den montäglichen Querdenkendemos auf dem Marktplatz deutsche Tugenden lobt. Oder eben wenn mit ihrer Hilfe die dringend benötigte Anschlussfähigkeit der Nein-Kampagne hergestellt werden soll.

Aber schauen wir uns die eigentlichen Protagonist:innen an. Eva Nehmzow fungiert als Sprecherin der Nein-Kampagne, auch wenn sie nicht in Greifswald wohnt, was auf viele Unterstützende der Nein-Kampagne zutrifft. Sie hatte einen Videohit im Internet gelandet, in dem sie anlässlich des Bürgerentscheids einen Text in der Bürgerschaft verlas, der eines der zentralen Narrative der rechten Szene wiederkäut: dass hinter der Politik auf allen Ebenen eigentlich die Partei der Grünen stecken würde. Die Grünen würden als Minderheit unsere gesamte Gesellschaft quasi in Geiselhaft nehmen, gegen den eigentlichen Volkswillen. Das hat mit der Realität wenig zu tun, denn so gut wie keine einzige politische Entscheidung dieser Welt ist spezifisch für Bündnis 90/Die Grünen und innerhalb der diversen Koalitionsregierungen haben sie es eher schwer, sich durchzusetzen. Das Narrativ entspricht aber der faschistoiden, antidemokratischen, antipluralistischen Vorstellung vom monolithischen Volkskörper, der lediglich von imaginierten inneren und äußeren Feinden gespalten würde. Nehmzow deutet weiters an, dass nur Studierende grün wählen würden, was natürlich abwegig ist, aber ebenso das Bild einer angeblichen intellektuellen Minderheitenelite, die für den Lauf der Geschichte verantwortlich wäre, zeichnen soll.

Nehmzow scheint sich vorwiegend aus einschlägigen Telegram- und Youtubekanälen zu informieren, wo man sich täglich gegenseitig im Glauben an diverse menschenfeindliche Verschwörungsmythen bestätigt und meint zu wissen, wer die Weltgeschicke eigentlich und in Wahrheit lenken würde. Auf Facebook finden sich auf dem Profil der gelernten Sonderpädagogin neben Solidarität für den Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen, AfD-Postings, Transfeindlichkeit und Grünenhass vor allem Inhalte gegen Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund.

Trotz oder wegen der Ankündigung ihrer Initiative, zur nächsten Bürgerschaftswahl antreten zu wollen, erhielt Nehmzow Applaus von Teilen der CDU-Fraktion. Die Greifswalder CDU ist mit Madeleine Tolani und Axel Hochschild bekanntermaßen schon seit Jahren dabei, den Eindruck zu erzeugen, dass sie die AfD rechts überholen will. Im Kreistag hat die CDU die große Containerlösung am Standort Greifswald zu verantworten. Die CDU-Kreistagsfraktion stimmte mit großer Mehrheit dafür und die CDU-geführte Verwaltung bekam die dringend nötigen menschenwürdigen, dezentralen Unterkünfte nicht organisiert. Die vorpommersche CDU hetzte aber zugleich gegen das Asylrecht, indem sie forderte, dass Deutschland seinen angeblichen asylpolitischen Sonderweg beenden solle – eine rhetorische Nebelkerze. In der Bürgerschaft wurde Hochschild vorgeworfen, rassistische Vorurteile zu äußern. Die strategische Doppelrolle der vorpommerschen CDU ist jedenfalls eine separate Aufarbeitung wert.

Thomas Kerl ist spätestens seit den prorussischen Lubmin-Demos bekannt, insbesondere aufgrund seiner Nähe zu rechtsextremen Personen, u.a. zu Andreas Kalbitz. Thomas Kerl ist Ex-AfDler, begleitet die Initiatoren und ist wie Grit Wuschek in die Greifswalder Bürgerschaft gewählt worden, wo beide aber eher mit Abwesenheit auffallen. Niemand fehlt häufiger als diese beiden. Wenn sie sich aber öffentlichkeitswirksam gegen die Asylpolitik äußern oder den Bürgerentscheid bewerben können, erscheinen sie auch mal. Sich mit diesen Personen zu beschäftigen, dürfte ebenfalls einen gesonderten Text wert sein.

Nähe zum Rechtsextremismus haben aber auch die Initiatoren des Bürgerbegehrens. Ralf Leonard und Ronny Bormann teilen und befürworten nicht nur AfD-Reden auf ihren öffentlichen Facebookseiten, sondern gaben sogar gemeinsam mit Vollert ein Interview für das Compact-Magazin, das vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuften wird. Dort breiteten sie allerlei Unwahrheiten und falsche Zusammenhänge aus, etwa zwischen der Schließung einer Kita und der Errichtung von Containern für Geflüchtete.

In einem anderen, selbst produzierten, Video driften Vollert, Leonard und Bormann dann ab und spannten den Bogen vom lokalen Container-Thema bis hin zu Atomausstieg und ähnlichen dem Bürgerentscheid fernliegenden Sachverhalten. Das Video erinnert eher an die Vier von der Trierer NPD, das vor einigen Jahren die Runde machte.

Einer der Initiatoren ist besonders auffällig. Ronny Bormann teilt nicht nur die in seiner Szene üblichen rechten Inhalte von AUF1 und RT, von der AfD, dezidiert proputinistische Propaganda, Chemtrail- und Corona-Fake-News, sondern auch Videos von der Identitären Bewegung und der antisemitischen Sekte OCG (auf Facebook am 05.02.2023). In einem der von ihm geteilten Videos wird eine Krake gezeigt, die als geheime Macht hinter allem stecke.

In einem anderen Posting macht er eine „Weltregierung jüdischer Zionisten“ für Migration verantwortlich. Die antisemitischen Chiffren sind nicht nur angedeutet. Nein, bei Ronny Bormann sind antisemitische Inhalte offen und deutlich.

Auf Youtube publiziert Bormann auch eigene Videos. Darin fordert er unter anderem, die verlogenen Medien abzuschalten, die Regierung zu stürzen, einen Kampf gegen diese Diktatur zu führen und behauptet, eine Demokratie hätte es hier nie gegeben.

Damit nicht genug. Bormann postet auch reichsbürgerideologische Pamphlete. Und ja, das ist wohl seine Überzeugung. Öffentlich einsehbar (auf Facebook am 21.11.2022). Die Bundesrepublik gebe es als Staat gar nicht und das bundesdeutsche Wahlrecht sei ungültig, so ist seinem Posting zu entnehmen.

Und niemand hat bislang thematisiert, wie sehr Bormann am rechtsextremen Rand ideologisch verwurzelt ist. Stattdessen stimmen die Initiatoren immer und immer wieder ihr einstudiertes Klagelied an, dass man sie als Nazis diffamieren würde – und niemand hat sich bislang öffentlich von den Initiatoren und dem eigentlichen Ziel des Bürgerentscheids distanziert!

Das eigentliche Ziel des Bürgerentscheids ist vermutlich nicht, Containerbauten zu verhindern. Es geht wohl vielmehr darum, Wut zu erzeugen, Unsicherheit und Angst zu verbreiten, für die eigene rechte Agenda zu mobilisieren. Der Greifswalder Bürgerentscheid ist ein Coup von Rechtsaußen, der unserer Stadt massiven Ansehensschaden zufügt und der auf dem Rücken von Geflüchteten und allen Menschen in Greifswald ausgetragen wird.

Was es nun braucht, ist eine Distanzierung aus der breiten Mitte unserer städtischen Zivilgesellschaft. Die so genannten „bürgerlichen“ Parteien in unserer Stadt scheinen ihren moralischen Kompass verloren zu haben und es besteht der berechtigte Verdacht, dass sie nicht mehr an der Verteidigung unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung interessiert sind.

Liebe Greifswalder*innen, es ist wichtig, dass wir nicht auf die Fragestellung des Bürgerentscheids hereinfallen. Denn die nächsten Bürgerbegehren haben sowohl AfD als auch die Initiatoren bereits angekündigt. Es geht ihnen darum, das Recht auf Asyl als solches anzugreifen und unsere demokratische Ordnung zu erschüttern. Sie möchten das Band der Solidarität zerreißen, das uns alle trägt. Sie möchten den Spielraum für Aufhetzung, Lügen und Rechtsruck erweitern.

Das dürfen wir nicht zulassen! Bitte stimmt beim Bürger*innenentscheid am 18. Juni 2023 oder vorab per Briefwahl mit „JA“! Fragen und Antworten zum Bürger*innenentscheid finden Sie hier und die Positionen der Ja-Kampagne finden Sie hier.

Hier eine Übersicht der von Ronny Bormann öffentlich geposteten Inhalte:

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